Männer und Frauen auf verlorenem Posten – Großprojekt mit unklaren Anforderungen
Die Anfrage klang interessant – und dringend: In einer Körperschaft Öffentlichen Rechts des Gesundheitssektors stand ein Großprojekt an. Die zwei eigenprogrammierten Hauptapplikationen, die nichts weniger als die Kernprozesse des Unternehmens abbildeten, waren in die Jahre gekommen und sollten durch die Software eines Spezialanbieters ersetzt werden. In einem Vorprojekt waren die Rahmenbedingungen und der ungefähre Umfang des Vorhabens ermittelt worden. Es wurde dabei aber auch deutlich, dass die bislang im Unternehmen übliche Art der Anforderungserhebung sehr schnell an ihre Grenzen gelangte – zumal man es nun mit einem externen Auftragnehmer zu tun hatte, der in deutlich anderen Begrifflichkeiten dachte, als man es im Hause gewohnt war. Nicht nur das Wording differierte, sondern auch die Herangehensweise und damit die Datenmodelle und Programmabläufe.
In dieser Situation waren Projekt- und Geschäftsleitung so weitsichtig, die Etablierung eines Requirements Engineerings anzugehen.
Strukturierung und Überzeugungsarbeit
Grundlegendes war zu tun und wurde von uns angegangen:
- Der Entwurf und die Etablierung eines Requirements-Engineering-Prozesses innerhalb des Projekts
- Auswahl (und teilweise Beschaffung) von geeigneten Tools für Anforderungs-Dokumentation und -Verwaltung
- Festlegung auf Standards für die Dokumentation
- Herstellung einer engen Verzahnung mit dem zeitgleich erstmalig im Hause etablierten Testmanagement
Herausfordernder war die Einbindung der Fachbereiche in das Projekt im Allgemeinen und in die Anforderungserhebung im Speziellen.
Dass im Vorprojekt das Hauptaugenmerk auf die Bedürfnisse und Befindlichkeiten der IT gelegt worden war, stellte sich als schwere Hypothek heraus. Nachträglich musste das Vertrauen der Fachbereiche gewonnen werden. Das gelang uns nur durch intensives Eingehen auf deren fachlichen Bedürfnisse und die überzeugende und verständliche Abbildung ihrer Geschäftsprozesse, Anwendungsfälle und Anforderungen. Das alles natürlich in einer Form, die auch beim externen Dienstleister als eigentlichem Adressaten verstanden wurde und möglichst wenig Potential für Missverständnisse bot. Nach einer gewissen Anlaufphase spielte sich die Zusammenarbeit aller Beteiligten zum Vorteil des Projekts und damit des Unternehmens gut ein.
Vom Ausnahmezustand in die Normalität
Trotz aller Schwierigkeiten machte sich schon relativ bald die Erkenntnis breit, dass das im Projekt etablierte Requirements Engineering als Blaupause für die Linie taugte. Diverse Fachbereichs-Mitarbeiter, die mit der strukturierten Anforderungserhebung und -Dokumentation in Kontakt gekommen waren, bekundeten von sich aus Interesse, auch nach dem Abschluss des Projektes in dieser Weise aktiv weiter arbeiten zu wollen. Auf unsere Empfehlung hin wurden Inhouse-Schulungen in den Grundbegriffen und Techniken des Requirements Engineering durch einen renommierten Anbieter organisiert, um das mitgenommene Wissen auf eine breitere Basis zu stellen und die Mitarbeiter zu befähigen, in Zukunft selbst strukturiert Anforderungen erheben und verwalten zu können.